Aktiencrash? Alles, was Sie wissen sollten

Liebe Leser,

in den vergangenen Tagen sind zahllose Beiträge und Analysen erschienen, die nahelegen, der Dax oder insgesamt die Aktienmärkte stünden kurz vor einem Crash. Ist die Sorge berechtigt? Ich meine, nein. Dennoch lohnt es sich für Sie selbstverständlich, einen genauen Blick auf die aktuelle Situation an den Märkten zu werfen.

Dax: 14.000 Punkte fraglich

Die erste Frage richtet sich an den Dax. Es war in den zurückliegenden Tagen offensichtlich, dass das deutsche Leitbarometer schwächelt. Die größte Unruhe in den Berichten jedoch entstand, als die Notierungen am Montag die Marke von 14.000 Punkten unterkreuzt haben.

Die Idee, der Dax könne nun zusammenbrechen, hat sich in den Köpfen von Analysten und Berichterstattern plötzlich auf diese Marke fixiert. Dabei spielt sie keine Rolle.

Die wahre Situation liest sich zunächst statistisch und charttechnisch betrachtet anders. Der Dax hat in den vergangenen drei Monaten trotz einer immensen Zinsdiskussion, trotz der hohen Inflationsrate, explodierender Rohstoffkosten, Lieferketten-Problemen und schließlich trotz des Krieges in der Ukraine nur wenig nachgegeben. In den vergangenen drei Monaten ging es um insgesamt -6,5 % nach unten. Das ist zu verkraften.

Wohlgemerkt: Der Dax hat seit zwei Jahren Rahmenbedingungen, die kaum schlechter sein könnten.

  • Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft am Ende vergleichsweise deutlich abgewürgt.
  • Die Inflationsrate hat die Schmerzgrenzen bei weitem überschritten. Die Sorge zahlreicher Analysten vor einer Hyperinflation oder zumindest wirtschaftlichen Unruhen ist weiterhin groß.
  • Es gibt Unternehmen, die wegen der Ukraine-Eskalation und den Krieg dort sowie den folgenden Embargos und Sanktionen massiv verloren haben. BASF etwa wird ohne ein Russland-Geschäft dauerhaft deutliche Einbußen verzeichnen. Wer wollte es den Investoren verdenken, wenn hier Skepsis herrscht?

Schließlich zeigt die Diskussion um ein mögliches Energie-Embargo gegen Russland, dass die Finanz- und Wirtschaftsmärkte möglicherweise das Schlimmste noch vor sich haben. Wenn es zu einem Embargo kommen sollte, müssen Sie sich zumindest in der Wirtschaft auf eine Rezession, also auf eine schrumpfende Wirtschaftstätigkeit einstellen. Die Kurse an den Börsen haben diesen Umstand nicht einmal im Ansatz berücksichtigt. Eine Rezession würde zu Gewinnreduktionen führen, die das aktuelle Bewertungslevel an den Aktienbörsen wiederum neu einordnen müssten.

Dazu aber scheint es nicht zu kommen. Sehen Sie sich dazu noch einmal die Statistik an den Aktienmärkten oder vor allem beim Dax an.

Genau in der Mitte: Der Dax

Der Dax verläuft derzeit ziemlich genau in der Mitte zwischen seinem Allzeithoch 16.271,75 Punkte vom 5. Januar 2022 sowie dem 1-Jahres-Tief 12.831,51 Euro vom 8. März 2022. Das heißt, der Börsenindex hat sich wieder etwas erholt, nachdem der Krieg in der Ukraine etwa zwei Wochen alt war und zu einem Tief führte.

Die Statistik verrät auch, dass das Börsengeschehen sich von der Corona-Krise kaum beeinflussen ließ. Der Dax etwa hat am 24. April 2020 ein aktuell noch gültiges 2-Jahres-Tief in Höhe von 10.336,09 Punkten erreicht. Die Notierungen haben seither etwa 35 % gewonnen – innerhalb von zwei Jahren. Das aktuelle Mehr-Jahres-Tief vom Beginn der Corona-Krise liegt sogar noch tiefer. Am 18. März 2020 hat der Dax kurz nachdem klar wurde, welche Bedeutung Corona (damals kurzfristig) mit Lockdowns haben könnte, einen Tiefstand von 8.441,71 Punkten erreicht. Seither ging es etwa um 65 % nach oben. Dies ist im Zeitraum von gut zwei Jahren ein erheblicher Gewinn, der weit überdimensioniert ist.

Bloß eine Korrektur?

Damit stellt sich auch die Frage, ob die aktuellen Schwächen an den Aktienmärkten bloß eine Korrektur der fast unaufhörlichen Aufwärtsbewegung sind. Nach mehr als 65 % Kursgewinn oder in der Spitze sogar über 75 % Gewinn ist es nicht unüblich, wenn und dass Investoren die Gewinne vom Tisch nehmen. Ein Crash also sieht ganz anders aus.

Die Börsen korrigieren derzeit angesichts der ungünstigen Rahmenbedingungen Gewinne, die vormals zu hoch ausgefallen sind. Sie können auf Basis der aktuellen Kursentwicklungen noch nicht einmal davon ausgehen, dass eine schärfere Korrektur folgt. Es bleibt spannend zu sehen, wie die Aktienmärkte im Gegenteil reagieren, wenn die Ölpreise sich wie aktuell schon sichtbar nicht so stark nach oben entwickeln, wie viele Beobachter dies befürchtet hatten.

Entscheidend: wie entwickelt sich die Energie?

Die Energie ist im wahrsten Sinne der Worte der Treibstoff für die Unternehmen und damit für die Wirtschaft insgesamt. Entscheidend wird hier sein, dass die Sorgen sich derzeit trotz der Diskussion um ein Energie-Embargo Russland gegenüber noch einmal reduziert haben.

Ölpreis: Das Schlimmste scheint zunächst überstanden

Quelle: onvista.de, eigene Bearbeitung

Sie sehen im Chart, dass die Preise seit dem Hochpunkt im März schon wieder um etwa 20 % nach unten gesackt sind. Noch immer ist der Ölpreis auf sehr hohem Niveau. Die Märkte hatten jedoch befürchtet, der Preis ließe sich gar nicht mehr kontrollieren. Sacken die Notierungen sogar noch etwas, dürfte dies dem Aktienmarkt weiterhin gefallen.

Der Kurs von Unternehmen wie etwa den Techwerten, die zuletzt nachgegeben haben, etwa Apple (ISIN: US0378331005), Alphabet oder Amazon, hängt auch an der Konjunktur. Ein Crash der Wirtschaft ist bei relativ stabilen Ölpreisen wieder etwas weiter entfernt.