Der Anleihen-Crash – Achtung!

Liebe Leser,

die Börsen haben sich in den vergangenen Tagen wieder relativ gut erholt. Einen Finanzmarkt-Crash werden die Investoren in Gamestop wohl nicht mehr auslösen. Wohl aber werden Kleinanleger aus dieser Misere mit massiven Verlusten herausgehen. Tatsächlich droht den Finanzmärkten möglicherweise von ganz anderer Seite ein erhebliches Problem: Anleihen.

US-Großanleger haben investiert

Dabei haben US-Großanleger jüngerer Daten der Finanzwoche nach ganz massiv in Anleihen investiert. Seit Beginn der Corona-Krise würden diese zumindest ihre neuen Investitionen nicht mehr in Aktien vornehmen – oder kaum noch – sondern vor allem Anleihen kaufen.

Der Bestand an Aktien ist demnach sogar gesunken. Demgegenüber sind offenbar mehr als 2,5 Billionen Dollar in Anleihen geflossen -jedenfalls seit 2009. Was hat das zu bedeuten?

Die Großanleger haben damit einen eminenten Bestand an Forderungen aufgebaut. Ein Großteil dieser Anleihen sind sicherlich – im Regelfall – Staatsanleihen, die als vergleichsweise sicher gelten. Dazu zählen etwa US-Staatspapiere und sicherlich auch EU-Staatsanleihen, vielleicht ebenso aus Deutschland.

Die Anleihen sind in drei Komponenten zu bewerten:

  • Die Zinsen, mit denen sie ausgestattet sind
  • Die Kurse, zu denen sie aktuell an den Märkten gehandelt werden
  • Die Rendite, die sich daraus ergibt: Wenn eine Anleihe über dem Nennwert, zu dem sie später wieder ausgelöst wird, wenn der Schuldner zahlt, gehandelt wird, fällt die Rendite für Käufer der Anleihen geringer aus als der Nominalzins es ausdrückt. Die Gesamtrendite ergibt sich aus den Gewinnen oder Verlusten beim Kurs bezogen auf das Laufzeitende und den Zinsen, die bis dahin bezahlt werden.

Auf dieser Basis stellt sich die Situation so dar:

Immer mehr Anleihen sind schlecht verzinst. Die Rendite zahlreicher Anleihen allerdings liegt teils bei und teils sogar minimal unter 0 %. Noch also haben hinreichend viele Investoren am Markt die Anleihen zu recht hohen Kursen gekauft.

Die Großanleger werden im besseren Fall zumindest kaum Geld verlieren, die Rendite wie dargestellt liegt bei etwa 0 % (etwas höher oder etwas niedriger, dies spielt für diese Betrachtung keine Rolle). Wenn aber die Schuldenkrise der Staaten aus dem Ruder läuft, weil es einfach immer mehr Kapital benötigt, um die Corona- und sonstige Wirtschaftskrise zu überwinden, dann wird es für die bisherigen Anleihen-Gläubiger schwierig.

Die Anleihen, die am Markt sind, sind dann sozusagen größerer Konkurrenz ausgesetzt. Die Staaten werden versuchen müssen, weitere Anleihen zu begeben. Die Zentralbanken kaufen diese Anleihen dann zwar auf, aber werden sich insgesamt beschränken müssen, hier nicht zu aktiv zu werden. Schon jetzt haben die großen Zentralbanken mehr Anleihen aufgenommen, als sie eigentlich dürfen.

Die bisherigen Anleihegläubiger, die Großinvestoren, sitzen auf einem Berg an Anleihen, für den es dann noch weniger Käufer gibt als ohnehin schon. Tendenziell wird dies die Kurse senken lassen, sodass die Investoren vor zwei Optionen stehen.

  • Sie können die Anleihen bis zum Laufzeitende halten und laufen schlicht Gefahr, dass diese nicht zurückgezahlt werden oder teilweise ausfallen.
  • Sie können diese mit Verlust verkaufen, die Renditen für die Käufer würden dann etwas steigen (niedrigere Kaufkurse bei gleichbleibenden nominellen Zinsen).

Die Großinvestoren werden mangels Alternativen eher halten und damit größere Risiken eingehen. Die sogar gut 2,5 Billionen Dollar, die in Anleihen stecken, sind praktisch einem größeren Risiko ausgesetzt.

Crash bei Schrott-Anleihen

Die Stimmung am Markt dürfte och eisiger werden, wenn angesichts der ohnehin gewaltigen Schuldenberge auch die Schrottanleihen beginnen, zum Problem zu werden. Solche Schrottanleihen, die höhere Renditen bringen, sind in diesen Zeiten besonders brisant.

Denn die Ausfallquote der Schuldner wird in Corona-Zeiten eher steigen, denn zu fallen. Die jüngst verfügbaren Daten alleine bei US-Unternehmen sind bereits brisant.

Ausfallquote von US-Unternehmensschuldnern steigt rasant

Quelle: https://www.capitalgroup.com/europe/capitalideas/de/article/corporate-defaults-triple.html

Nun wird es zum Ratespiel, wie sich die Ausfallquote noch entwickeln wird. Denn die Quote könnte zunächst etwas reduzieren. Auch in den USA sind kräftige Hilfen und Unterstützungen gezahlt worden.

Tendenziell wird das dicke Ende aber noch kommen. Der Chart verdeutlicht auch in welche Richtung es gehen kann. Die größten Ausfallquoten ab 1998 sind infolge der großen Krisen entstanden – dies war das Platzen der Dot.com-Blase im Jahr 2000 und etwas danach. Die Unternehmen sind teilweise kollabiert, nachdem klar wurde, dass die Geschäftsmodelle nicht mehr tragfähig sind und auch keine neuen Kredite vom Finanzmarkt mehr dazu kämen.

Zudem kam es im Jahr 2010 / 2011 zu einem immensen Wachstum der Ausfallquote. Die Anleihen sind infolge der Finanzkrise 2008 geplatzt. Warum? Die Unternehmen erhielten von den geschwächten Banken nicht mehr hinreichend hohe Darlehen, um möglicherweise alte, bestehende Anleihen abzulösen.

Die Banken untereinander waren im Jahr 2008 und bis 2009 misstrauisch geworden und gaben sich schon kaum noch Kredite im Tagesgeschäft. Dies drohte die gesamten Finanzmärkte zum Einsturz zu bringen. Kredite der Banken untereinander sind die Voraussetzung dafür, dass überhaupt Geschäfte zwischen den Bankkunden stattfinden. Die Banken verrechnen in der Regel am Ende nur die Salden der jeweiligen Zahlungsgeschäfte.

Da aber das Misstrauen so groß geworden war und die Banken teils auch mit neuen staatlichen Vorschriften konfrontiert wurden – sie mussten teils die Eigenkapitalquoten bei der Darlehensvergabe erhöhen, was die Kreditsummen, die ausgereicht wurden, reduzierte -, gäbe es auch weniger Darlehen insgesamt.

Infolgedessen platzten die künstlich nach oben getriebenen Kredite, da wie beschrieben die Verlängerungen für auslaufende Anleihen deutlich stärker ausblieben als gedacht.

Wie schlimm wird es diesmal?

Jetzt kommt die entscheidende Frage: Auch in dieser Krise werden wir ein Kreditproblem sehen. Wenn keine oder weniger neue Kredite vergeben werden, wird es für Unternehmen (und auch für schwache Staaten) schwieriger, die bestehenden Darlehen abzulösen. Eine ohnehin steigende Ausfallquote kann durch diese Dynamik noch einmal deutlich nach oben getrieben werden.

Wie weit kann es also gehen? Die Grafik zeigt: Gut 10 % Ausfallquote zumindest für die High-Yield-Titel, die insgesamt schon gefährdet waren, sind möglich. Wahrscheinlich, so die Spekulation, wird auch die Ausfallquote normaler Anleihen deutlich weiter nach oben klettern als ansonsten.

Würde aber die Anleihen je nach Güteklasse zwischen 5 % und 10 % ausfallen oder nur teils zurückgezahlt, wäre dies bei den Großanlegern inzwischen ein Verlust von vielen hundert Milliarden Dollar – je nach Laufzeit und der Forderungsstruktur.

Hier braucht sich eine gigantische Pleitewelle an den Anleihemärkten und bei einigen Großinvestoren an. Dies hat das Potenzial, den Finanzmarkt nachhaltig zu erschüttern. Sie sollten es bedenken: Anleihen können in den kommenden Monaten oder auch schon in einigen Wochen deutlich instabiler werden, als sie es aktuell sind.

Aktien von soliden Unternehmen oder auch Gold-Anlagen werden möglicherweise unter dem dann schlechteren Stimmungsbild etwas leiden. Im Kern aber bleiben sie außen vor.

Die Anleihenblase, die sich hinter den Schuldenbergen versteckt, dürfte platzen. Sie sollten Sachwerte kaufen.

Mit freundlichen Grüßen