Dividenden intern: Gelebte Aktionärs-Demokratie!

Liebe Leserin, lieber Leser,

derzeit reiht sich noch Hauptversammlung auf Hauptversammlung – und oft findet sich da ein Tagesordnungspunkt (oft „TOP“ 2) die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns.

Das ist für uns Dividenden-Investoren insofern interessant, als dann wenige Tage nach der Hauptversammlung die entsprechende Dividende ausgeschüttet wird (sofern eine beschlossen wird).

Wie hoch diese sein wird, steht erst nach der Abstimmung fest. Aber bis auf wenige Ausnahmen sind bei den Hauptversammlungen, die ich verfolgt habe, immer die Vorschläge der Verwaltung angenommen worden.

Bedeutet: In der Einladung zur Hauptversammlung (HV) findet sich der Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat über die Höhe der Dividende pro Aktie (sofern es denn überhaupt eine Dividende geben soll).

Gibt es da gesetzliche Regelungen zu beachten?

Wie Sie sich denken können, ja.

Hier empfiehlt sich manchmal der Blick in unser Aktiengesetz.

Und dort findet sich im § 58 mit dem Titel „Verwendung des Jahresüberschusses“ unter Punkt 2 dies, ich zitiere:

„Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß fest, so können sie einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in andere Gewinnrücklagen einstellen. Die Satzung kann Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren oder kleineren Teils des Jahresüberschusses ermächtigen. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung dürfen Vorstand und Aufsichtsrat keine Beträge in andere Gewinnrücklagen einstellen, wenn die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder soweit sie nach der Einstellung die Hälfte übersteigen würden.“

Hier werden also Grenzen für die Einstellung in die „anderen Gewinnrücklagen“ gesetzt. Für uns Aktionäre ist die Höhe der Gewinnausschüttung natürlich ein wichtiger Punkt.

Aber ganz so eindeutig wie „möglichst viel“ ist es allerdings nicht. Denn was, wenn aus der Substanz ausgeschüttet wird? Ist das im Sinne eines „möglichst viel“ dann aus Aktionärs-Sicht dann auch knorke?

Kommt natürlich darauf an, was für einen Zeit- und Erwartungshorizont der jeweilige Aktionär hat. Ich persönlich mag normalerweise die Unternehmen, deren Aktien ich kaufe. Wenn deren Geschäftsaktivitäten der Menschheit nützliche Dienste leisten und Umweltaspekte beachtet werden, dann freue ich mich über ein Prosperieren des Geschäftsfeldes.

Und zu einem prosperierenden Geschäft gehört es auch, dass das Unternehmen das notwendige Kapital für weitere Investitionen und generell genügend „working capital“ hat. Zudem sollten die Bilanzrelationen relativ solide aussehen.

Dazu gehört nicht, liquide Mittel auszuschütten, während gleichzeitig im operativen Geschäft per saldo liquide Mittel abfließen, so dass neues Geld via Kredite hereingeholt wird.

Als Pi mal Daumen Regel kann hier gelten, dass vielleicht die Hälfte des Jahresüberschusses als Dividende ausgekehrt wird – und die andere Hälfte für Stärkung der Bilanz / Investitionen verwendet wird.

Jedenfalls werde ich hellhörig im negativen Sinne, wenn mehr als der Jahresüberschuss ausgeschüttet werden soll, weil es dann gewissermaßen an die Substanz geht.

In den vergangenen Wochen habe ich – wenn ich mich recht erinnere – nur eine Aktiengesellschaft mitbekommen, bei welcher in der HV zum Thema Dividende gegen den Vorschlag der Verwaltung gestimmt wurde.

Bei Alexanderwerk hieß es in der Einladung zur Hauptversammlung unter TOP 4, der Beschlussfassung über   die   Verwendung   des   Bilanzgewinns   für   das   Geschäftsjahr 2020, wie folgt – ich zitiere:

„Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, wie folgt zu beschließen: „Der Bilanzgewinn für das Geschäftsjahr 2020 in Höhe von EUR 2.157.416,30wird wie folgt verwendet: Es wird eine Dividende in  Höhe  von  EUR  0,70  je  dividendenberechtigter  Stückaktie,  d.h. insgesamt ein Betrag in Höhe von   EUR   1.260.000,00 ausgeschüttet. Der verbleibende Bilanzgewinn in Höhe von EUR 897.416,30wird auf neue Rechnung vorgetragen.“

Zum Zeitpunkt der HV stand die Notierung der Alexanderwerk-Aktie im Bereich von ca. 24,50 Euro.

Das wären also ca. 2,9% Dividendenrendite gewesen, die 0,70 Euro je Aktie bezogen auf diesen Kurs.

Aber es kam anders:

Im Sinne einer gelebten Aktionärs-Demokratie nutzten die Aktionäre/innen ihr Stimmrecht und entschieden anders. Denn der Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat ist genau das – ein Vorschlag. Die Aktionäre/innen können anders stimmen, und das gilt natürlich auch für Kleinstaktionäre mit nur einer Aktie.


Und so geschah es hier auch.

Statt 0,70 Euro je Aktie gab es dann 1,19 Euro je Aktie und damit bezogen auf den Kurs von 24,50 Euro rund 4,9% Dividendenrendite.

Denn Alexanderwerk teilte zur HV 2021 mit, dass diese beschlossen habe, den – Zitat: „Bilanzgewinn  der  Alexanderwerk  AG  aus  dem  abgelaufenen  Geschäftsjahr  2020 in Höhe von EUR 2.157.416,30 wie folgt zu verwenden:

Bilanzgewinn EUR 2.157.416,30

Ausschüttung einer Dividende von EUR 1,19 je Stückaktie auf 1.800.000 dividendenberechtigte Stückaktien EUR 2.142.000,00

Gewinnvortrag EUR 15.416,30“

Damit wurden also 99,3% des Bilanzgewinns ausgeschüttet.

Zur Abstimmung: Der Blick auf die Abstimmungsergebnisse zeigt, dass es zum Vorschlag der Verwaltung für die Dividendenausschüttung 60,4% Nein-Stimmen und 39,6% Ja-Stimmen gab.

So kam es zur Abstimmung über den Gegenantrag eines Aktionärs (laut Alexanderwerk Herr Thomas Mariotti), welcher statt 0,70 Euro Dividende je Aktie 1,19 Euro je Aktie vorsah.

Und dieser Gegenantrag erhielt 63,66% Ja-Stimmen und 36,34% Nein-Stimmen und wurde somit angenommen.

Übrigens gab es da auch eine ganz interessante Situation beim TOP 6, der „Beschlussfassung über die Änderung der Satzung über die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern“.

Auch da kam der Vorschlag der Verwaltung nicht durch, er wurde abgelehnt.

Und auch da gab es einen Gegenantrag (eines anderen Aktionärs namens Jan Peter Arnz) – der wurde allerdings auch abgelehnt.

Um was ging es da? Auch dazu der Blick in die Tagesordnung, da wurde dieser Vorschlag der Verwaltung für die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern vorgeschlagen (Auszug):

„Der Aufsichtsratsvorsitzende erhält eine Grundvergütung  in  Höhe von EUR 25.000,00      der  stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende erhält  eine  Grundvergütung in  Höhe von  EUR  12.500,00. Bezieht    sich    die    Tätigkeit    eines    Aufsichtsratsmitglieds    nicht auf    ein volles    Kalenderjahr, so wird die Vergütung zeitanteilig gezahlt.

Zusätzlich zur Grundvergütung erhält  jedes  Aufsichtsratsmitglied  für  jede  Teilnahme  an  einer  ordentlichen  oder  außerordentlichen  Aufsichtsratssitzung  ein  Sitzungsgeld  in  Höhe  von EUR 1.500,00.“

Ich persönlich finde es auch nicht so prickelnd, wenn es ein Sitzungsgeld geben soll.

Denn wenn man im Aufsichtsrat ist, dann sollte für die Sitzungen pro Jahr eine angemessene Pauschale inkl. evtl. Erstattung von Auslagen gezahlt werden – that´s it, wie der Angelsachse sagt.

Wieso dann noch ein „Sitzungsgeld“ von 1.500 Euro pro Sitzung? Das könnte den Aufsichtsrat sogar dazu veranlassen, möglichst viele Sitzungen durchzuführen, die gar nicht unbedingt notwendig wären. Ich sage damit natürlich nicht, dass das hier so wäre, aber ich sehe falsche Anreize gesetzt mit so einem System.

Und offensichtlich stehe ich mit dieser Ansicht nicht alleine, wie die Abstimmungsergebnisse bei Alexanderwerk zeigten.

Die Aktie selbst ist ein kleiner Nebenwert, Hersteller von Kompaktier- und Zerkleinerungsmaschinen (Fleischwolf…). Ich hatte mir da voriges Jahr als Buchwert ca. 7,50 Euro je Aktie notiert, da liegt der aktuelle Kurs deutlich darüber. Der Ertragswert ist aber ok, und die Dividendenrendite auch.

Aber wenn wie dieses Jahr fast der gesamte Bilanzgewinn ausgeschüttet wird, dann ist so etwas vielleicht nur eine einmalige Sache und nächstes Jahr gibt es wieder niedrigere Ausschüttungsquoten. Ich weiß es nicht. Ist für mich ein Fall für die „Watchlist“.

Was noch? Gelegentlich schaue ich mir natürlich auch volkswirtschaftliche Daten an.

Da fiel mir z.B. auf, dass in der Europäischen Union bei der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die „European System of National and Regional Accounts“ angewendet werden. Das klingt so nach einer Meldung, welche bestenfalls Eierköppe interessiert.

Ist aber durchaus interessant! Denn es geht darum, wie unser BIP (Bruttoinlandsprodukt) berechnet wird.

So gab es in den vergangenen Jahren einige Änderungen. Ein Beispiel: Nun sollen auch Ausgaben für militärisches Gerät als „Investition“ gelten. Eine „Investition in die Friedenssicherung“ sozusagen. Durch den Kauf von Leopard-Panzern oder Drohnen lässt sich so ab September das BIP steigern.

Es kommt noch besser: Auch der Drogenhandel soll nun in die Berechnung des BIP einfließen. Und zwar Handel mit den Drogen, welche in einigen Mitgliedsstaaten legal sind. Bedeutet konkret: Auch wenn der Konsum von Cannabis in einem Land verboten ist, erhöht dies ab 1.9. das BIP des Landes.

NWZonline brachte es auf den Punkt: „Kiffen für die Konjunktur“!

Tabakschmuggel (genau, „Schmuggel“!) und Prostitution sollen ebenfalls EU-weit bei der Berechnung des BIP berücksichtigt werden. Da kann es eine ganz neue Bedeutung bekommen, wenn die Höhe des „Wirtschaftswachstums“ vermeldet wird.

Da sage nochmal jemand, Wirtschaft sei langweilig. Und warum das Ganze? Vereinheitlichung der Berechnungsmethode innerhalb der EU, so wurde vermeldet.

Ein „schöner Nebeneffekt“ fiel mir auf: So wird z.B. die Höhe der Staatsverschuldung in Relation zum BIP gesetzt. Und wenn das BIP durch die neuen Berechnungsmethoden nun um geschätzte 3% steigt, ist die Schulden-Quote dadurch – tata – gesunken. Freue mich schon drauf, wenn jemand versucht, dies als Erfolgsmeldung zu bringen.

Wie üblich gilt: Das ist keine Aufforderung zum Kauf – für Ihre Käufe/Verkäufe sind Sie ganz alleine verantwortlich. Ich glaube an den mündigen Leser.

Wenn Sie möchten, schreiben Sie mir eine Email, auch und besonders zu Dividenden-Aktien, die Sie gut (oder schlecht?) finden. Ich kann dann gerne darauf direkt hier im Newsletter eingehen, wenn es passt.

Sie erreichen mich per Email unter info@gurupress.de

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