Dividenden intern: Hohes Risiko, hohe Chance!

Liebe Leserin, lieber Leser,

bei Unternehmen, die mich interessieren, schaue ich mir gerne auch die alljährlichen Hauptversammlungen an.

Gewiss, bei DAX-Konzernen gibt es da meist nicht gerade neue Erkenntnisse. Bei Nebenwerten kann das schon ganz anders sein.

Denn über diese wird z.B. in den Finanzmedien ohnehin nicht so oft berichtet, und manchmal zeigen sich die Vorstände und Aufsichtsräte da auch aktionärsfreundlicher.

Gerne mag ich es übrigens, wenn ein Vorstand auch selbst stark in dem Unternehmen investiert ist.

Ahlers: Großaktionärin ist Vorstandsvorsitzende

Auf diese Weise wurde ich auf die Ahlers AG aufmerksam – denn da ist genau das der Fall.

Dieser Beitrag basiert auf meinen Notizen von der jüngsten Hauptversammlung (HV) des Unternehmens. Beginn der Ahlers HV war gegen 10:00 Uhr morgens. Nach der Eröffnung der Veranstaltung durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats Alexander Gedat erteilte dieser der Vorstandsvorsitzenden Dr. Stella Ahlers das Wort.

Was er zuvor noch klarstellte: Während der Veranstaltung können Aktionäre/innen keine Fragen stellen. Das war aber wohl bis zum 19. April 2021 vorab möglich.

Es sind demnach 26 Fragen eingegangen – und eine Stellungnahme, die auf der Internetseite der Ahlers AG eingestellt ist (da unter „Investor Relations“, dann „Statement und Fragenkatalog der DSW anlässlich der HV 2021“, in Form einer PDF-Datei).

Dann übernahm Frau Dr. Ahlers das Wort.

Sie sprach laut eigenen Angaben vom Firmensitz in Herford aus.

Ahlers sei eigentlich recht optimistisch ins Geschäftsjahr 2019/20 gestartet.

Die Maßnahmen zur Ertrags- und Effizienzsteigerung waren abgeschlossen. Strukturen und Prozesse waren verschlankt worden und die Verschuldung des Unternehmens wurde gesenkt. Doch dann kamen die Einschränkungen der Pandemie und „Lockdown light“.

Der folgende „harte Lockdown“ kurz vor Weihnachten fiel allerdings in das 1. Quartal des neuen Geschäftsjahres (Anmerkung: Hier weicht das Geschäftsjahr vom Kalenderjahr ab) und ist damit nicht in den Zahlen zum vorigen Geschäftsjahr berücksichtigt.

Das Geschäftsjahr 2019/2020 ging vom 1.12.2019 bis November 2020 und es war das 101. Geschäftsjahr „seit Gründung des Unternehmens durch meinen Großvater Adolf Ahlers.“

Es war das „schlechteste Jahr unserer Unternehmensgeschichte“.

Das war bitter, da Ahlers nach zwei Verlustjahren eigentlich wieder in die Gewinnzone gekommen wäre, so Dr. Ahlers sinngemäß. Stattdessen sank der Umsatz um 26,8% auf 151,6 Mio. Euro (nach 207,0 Mio. Euro).

Wieviel davon coronabedingt war? Laut Frau Ahlers 23,8% des Umsatzes beziehungsweise 49,0 Mio. Euro.

Hier noch einige Stichpunkte ihrer Rede:

160 Mitarbeiter in Polen weniger, da keine Produktion mehr dort

Produktseitig Konzentration auf Jeans und Hosen

Wir hoffen, dass wir mit der Verbesserung der Geschäfte der Aktie wieder positive Impulse geben können.

Und das 1. Quartal des laufenden Geschäftsjahres? Entwicklung verläuft innerhalb des Rahmens der Erwartungen.

Das Eigenkapital reduzierte sich auf 59,7 Mio. Euro. Eigenkapitalquote zum Ende des Quartals bei 39,1%.

Die aktuelle Bilanzstruktur (Stand 28.2.2021). Quelle: Unternehmensangaben

Finanzierung erneut erweitert – bei den Hausbanken gut 8 Mio. Euro aufgenommen. Die Finanzierung des Unternehmens sollte damit sichergestellt sein.

Das Marktumfeld wird für uns in Europa im laufenden Geschäftsjahr „sehr anspruchsvoll“ bleiben, Verweis auf Lockdown-Maßnehmen, die stationären Einzelhandel (Bekleidung) einschließen.

Die eingeleiteten Kostensenkungsprogramme sorgten für spürbar gesunkenen Aufwand. Diese Kostenreduktion milderte den Rückgang Ebit vor Sondereffekten negativ.

Ahlers Prognose für gesamtes Geschäftsjahr:

Umsatz leicht unterhalb des vorigen Geschäftsjahres. Im 2. Quartal soll es nochmal runter gehen mit dem Umsatz, im zweiten Halbjahr dann wieder über dem Vorjahreswert.

Nicht betriebsnotwendige Aktiva wurden kürzlich – ein Kunstwert und eine Immobilie, die aufgrund des Stopps der Produktion in Polen nicht mehr benötigt wird.

Präsenzquote: Diese lag laut Angaben des Aufsichtsrats-Vorsitzenden bei 60,5%.

Die Generaldebatte

Es folgte das, was ich bei einer HV normalerweise am interessantesten finde: Die Generaldebatte! Die Aktionärinnen/Aktionäre stellen Fragen – Vorstand und/oder Aufsichtsrat antworten. Gelebte Aktionärs-Demokratie sozusagen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit weiche ich hier teilweise vom chronologischen Verlauf ab.

Hier war es aber – Stichwort virtuelle Form – etwas anders. Aktionäre konnten nicht während der Veranstaltung Fragen stellen. Das war nur vorab möglich, und diese Fragen sollten nun beantwortet werden.

Dazu stellte sich nun das zweite Vorstandsmitglied Simon Tabler erst vor. Er ist seit 1.12.2020 im Amt und bedankte sich bei seinem Vorgänger Herrn Dr. Kölsch. Er war zuvor im Bereich Großhandel/Einzelhandel/E-Commerce tätig, wie er erläuterte.

Dann Frage- und Antwort-Runde:

Frau Benner-Heinacher von der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V.) fragte: Im 1. Corona-Jahr im Schnitt 30% weniger Umsatz. Außerplanmäßige Wertberichtigungen auf Kundenforderungen und Wertberichtung auf Ahlers Poland und Kunstbestand. Es gab aber auch Sondererträge durch Verkauf von Kunst. Bitte schlüsseln Sie das auf, was haben wir noch an stillen Reserven?

Erläuterung: +1,3 Mio. Euro Sondererträge durch Verkauf von Immobilien in Herford und Warschau („Showroom“).

Sonderaufwendungen: Einzelwertberichtungen -0,3 Mio. Euro (auf Kundenforderungen), Währungseffekte -0,5 Mio. Euro (russischer Rubel Abwertung), Impairment-Tests ergaben -0,6 Mio. Euro auf Kunstwerke. Die Abwertung bei Ahlers Poland hat nur Auswirkungen auf den Einzelabschluss, nicht Konzernabschluss.

Das Unternehmen plant nun nicht mehr mit stillen Reserven nach den erfolgten Verkäufen.

Es gab dann zahlreiche Fragen von Frau Benner-Heinacher, insbesondere zum Thema E-Commerce – wie entwickelt sich das, Umsatz etc., Aussichten.

Antwort von Frau Dr. Ahlers:

Man hätte denken können, dass Online-Umsätze mit „lockdown“ schnell angesprungen wären. Ist aber nicht der Fall gewesen: März, April und bis in den Mai 2020 hinein hat sich nicht viel getan mit den Online-Umsätzen. Danach gab es aber Anstieg.

Insgesamt Online-Umsätze um 13,2% gestiegen – darunter auch sogenannte Marktplatz-Umsätze (bei Amazon, Otto.de).

Welche Marktplätze soll es in Zukunft geben? Zalando mit großen Hoffnungen für Herrenmode verbunden. Aber sehr großer Anteil von Schuhen und nun auch Bekleidung, aber hauptsächlich für Damen – und Ahlers ist ja auf Herrenbekleidung konzentriert.

Unsere eigenen Online-Shops hatten nicht so starkes Wachstum, was auch an der Technik lag. Wir müssen technologisch aufrüsten. Wir haben schon im vergangenen Jahr aufgerüstet und haben sehr großes Projekt gerade, um gesamte Software der Shops zu verbessern.

Die Planung für die nächsten Jahre?

Wir planen deutlich ambitionierter: Jährliche Wachstumsraten von 30% geplant. Einerseits über eigene Shops und dann über die Marktplätze.

Wir wollen auf den bestehenden Marktplätzen „besser performen“, uns da besser präsentieren. Aber auch auf weiteren Marktplätzen vertreten sein (Breuninger…).

Wie hoch wird der Anteil mittelfristig sein?

Wir sagten zuvor 10-15% des Umsatzes sollen online sein. Das ist natürlich schwierig, weil unser Umsatz insgesamt so deutlich zurückgegangen ist. Wir werden mit Online wieder über 200 Mio. Euro Umsatz liegen.

Geschäft mit Anzügen und Sakkos wird zurückkommen, wenn es wieder mit Feiern zu Hochzeiten etc. wieder losgehen wird. Es wird Veränderungen geben, wie der Anzug selber aussehen wird (klassisch oder nicht). Das Home Office wird bleiben. Hin zu „Casual Wear“. Die Mode ist in den letzten Jahren davor immer schlanker geworden.

Wir glauben, dass das Geschäft zurückkommt – aber nicht auf das gleiche Niveau.

Bei Pierre Cardin im Dezember 2020 mit Alter von 98 Jahren verstorben (sein Projekt waren 100 Jahre). Frau Dr. Ahlers war auf der Beerdigung und sprach mit dem Neffen von Herrn Cardin – der als Generaldirektor des Hauses Cardin handelsrechtlich eingetragen worden ist. Er versicherte mir, dass sich an unseren Vertragsverhältnissen nichts ändern wird. Nach Paris reisen kann ich derzeit allerdings nicht, das geht dann über Telefon/Internet.

Nachhaltigkeit als zweiter Megatrend – dazu Anmerkungen gewünscht von der Fragestellerin, und wie sind Auswirkungen im Hinblick auf Stichwort Lieferkettengesetz?

Das Thema Nachhaltigkeit ist trotz Corona nicht „weg“, wir sind produktseitig darauf eingestellt. Bei „Pioneer“ wollen wir verstärkt mit „organic cotton“ arbeiten.

Wegen Lieferketten – da soll es europäische Lösung geben und keine nationale. Es wurden einige Punkte genannt, bei denen Frau Dr. Ahlers auf Überarbeitung des Gesetzes hofft.

Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr?

Auszahlung einer Überbrückungshilfe „heute erhalten“, so der Vorstand Herr Tabler. Ansonsten Verweis auf die diesen Monat verschickte Meldung dazu.

Konkret: Ebit (= Ergebnis vor Zinsen und Steuern) vor Sondereffekten soll auf Vorjahresniveau liegen 

Konzernumsatz leicht unterhalb  des  Vorjahreswerts  (2019/20:  151,6 Mio.  EUR).

SdK (Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.) fragt nach, sind Covenants bei bestehenden Verpflichtungen gerissen? Antwort: Keine.

Für wie valide erachten Sie angesichts eines andauernden Lockdowns in der Bundesrepublik (bis Bundestagswahl?) die Prognose für das laufende Geschäftsjahr? Kann zumindest neutraler Cashflow erzielt werden?

Antwort: Wir wollen wohl alle, dass die bestehenden Lockdown-Maßnahmen bis dahin anhalten dauern werden und müssen. Unsere Prognose beinhaltet lokale Lockdowns,

nicht aber einen „Voll-Lockdown“ bis in den Herbst hinein. Ein solches Schreckens-Szenario hält der Vorstand für nicht realistisch.

Wir erwarten einen positiven Free Cashflow vor Finanzierungstätigkeit zum Geschäftsjahresende 2021.

Was ist mit Konkurrenz durch Bekleidungsangebote von Aldi und Lidl?

Antwort: Diese Discounter und auch andere haben massiv aufgerüstet. „Kundensterben“ in Innenstädten und Siegeszug des E-Commerce werden weitergehen – manche Themen wurden durch Corona „vorangetrieben“.

Wir jedenfalls werden uns viel stärker mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen. Vielleicht nicht totaler „Game Changer“, aber Verstärker der genannten Trends, was in den kommenden Jahren den Einkauf von Mode nachhaltig beeinflussen werden.

Wieso wird „New Tomorrow“ (Umstrukturierungsprogramm) durch externe Beratung forciert – kennt sich da im Unternehmen niemand damit aus? Welche Kosten sind durch die Beratung entstanden?

Antwort: Kosten 300.000 Euro im vorigen Geschäftsjahr, ca. 650.000 Euro (nicht sicher, ob richtig verstanden im laufenden Jahr. Bis Ende 2025 soll das amortisiert sein. Externe Beratung ist sinnvoll, es hilft, wenn jemand der nicht im Tagesgeschäft ist aktiv wird.

Wieso variable Vergütung für Aufsichtsrat? Kontrollüberwachung spricht doch für Fixum?

Vergütung ist an 3-Jahres-Zeitraum geknüpft, das halten wir für sinnvoll im Einklang mit dem Interesse der Aktionäre an nachhaltiger Entwicklung.

Nächste Frage von Herrn „Ounas“ (oder so): Sind die von Ahlers produzierten Masken derzeit den Anforderungen entsprechend?

Antwort: Wir haben die Masken zu Beginn aus Stoff gemacht (Stoff, der aus Deutschland kommt). Das ist eine hervorragende Maske eigentlich, die auch zertifiziert ist, aus Stoff, der auf der Schwäbischen Alb gefertigt wird. Diese Masken sind aber nicht FFP2-tauglich.

Wieso ist keine Bevollmächtigung einer Organisation möglich, fragte ein anderer Aktionär.

Doch das geht – über „Bevollmächtigung für Dritte“.

Herr Hucker fragte: Gesamtaussage zum Risikobericht (Geschäftsbericht S. 81) vor dem Hintergrund der neu erlassenen Corona-Risiken zu bewerten. Können existenzgefährdende Risiken beziffert werden?

Da sich die Pandemie im laufenden Geschäftsjahr fortsetzt, das Pandemie-Geschehen setzt sich fort. Bestandsgefährdende Risiken können nicht ausgeschlossen werden! Eine Quantifizierung ist aber nicht möglich.

Reduzierung von Personalkosten im Millionenbereich (auch durch Kurzarbeit). In Produktionsgesellschaft auf Sri Lanka soll Personal etwas aufgebaut werden. Insgesamt sollen es per Ende des laufenden Geschäftsjahres ca. 1.700 Mitarbeiter/innen sein.

Dann handschriftliche Fragen eines nicht genannten Aktionärs:

Reduzierung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats?

Antwort: Aufsichtsrat bereits nur drei Personen, gesetzlich vorgesehen. Vorstand zwei Personen – Verkleinerung halten wir für nicht sinnvoll.

Thema Vorstandsvergütung: Der Verfasser dieses Beitrags fragte, ob der Vorstand bereits sei, auf 20% der Bezüge zu verzichten. Die beiden Vorstandsmitglieder haben im vorigen Geschäftsjahr knapp 1 Mio. Euro an Bezügen gehabt. Ein temporärer Verzicht würde in der aktuellen Lage ein starkes Zeichen setzen – für Aktionäre und auch gerade für Belegschaft, die aufgrund der Sparmaßnahmen belastet werden.

Antwort: Die Bezüge sind gesetzlich möglich, und es soll gemäß ARUG (Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie) Abstimmung über System der Vorstandsvergütung geben, TOP 5.

Die Abstimmungen

Hier gab es angesichts der Beteiligungsverhältnisse keine Überraschungen. Die der Familie Ahlers zuzuordnende WTW-Beteiligungsgesellschaft mbH hält laut Angaben von Ahlers 52,8%. Allen Vorschlägen der Verwaltung wurde mit großer Mehrheit zugestimmt.

Beispiel TOP 5 Abstimmung „Billigung des Vergütungssystems für die Vorstandsmitglieder“ 98% Zustimmung.

Gegen 12:30 Uhr wurde die Veranstaltung beendet.

Noch ein paar Anmerkungen zur kulinarischen Seite:

–           (Angesichts des virtuellen Formats ein Strich!)

Mein Fazit:

Die Bilanz wurde verkürzt, Sparmaßnahmen haben gegriffen, Ahlers will auf mehr Online-Marktplätzen vertreten sein und die Bilanz vergleichsweise gut aus. Mit anderen Worten: Wenn Ahlers die Krise überlebt und es mit dem Online-Handel gut läuft, sehe ich hier erhebliches Potenzial, zumal die Aktie deutlich unter Buchwert notiert. Hohes Risiko, aber auch hohe Chance.

Und hier noch das Zitat zum Tag:

„Viele kleine Aktionäre, an vielen kleinen Orten, die viele Dinge tun, werden das Antlitz dieser Welt verändern.”

– Von mir abgewandeltes afrikanisches Sprichwort

Wie üblich gilt: Das ist keine Aufforderung zum Kauf – für Ihre Käufe/Verkäufe sind Sie ganz alleine verantwortlich. Ich glaube an den mündigen Leser.

Wenn Sie möchten, schreiben Sie mir eine Email, auch und besonders zu Dividenden-Aktien, die Sie gut (oder schlecht?) finden. Ich kann dann gerne darauf direkt hier im Newsletter eingehen, wenn es passt.

Sie erreichen mich per Email unter doppelterendite@gurupress.de